Julius Rodenberg                    Ave Maria!

(eig. Levy)

1831 – 1914                                        Habt ihr gesehen das Bildnis der Madonne,

Wie sich die Hände träum’risch bittend heben,

Wie um den Mund das menschlich süße Beben,

Das Spätroth glüht gesunkner Erdenwonne?

 

Das Aug’ ein klarer, lichterfüllter Bronne,

Darüber letzte Schatten leis verschweben, -

Indes wie Ahnung von zukünftgem Leben

Um’s Haupt schon zuckt der Glanz aufgehnder Sonne.

 

So war ihr Angesicht in hehren Stunden,

Wenn sie im Dämmern saß mit holdem Schmachten,

Und Heimathweh ihr liebes Herz empfunden.

 

Wenn Engel, knieend still zu ihren Füßen,

Ihr aus der Heimath schöne Lieder brachten,

Und ihr in’s Auge sahen, sie zu grüßen.

 

 

 

 

 

 

 

Julius Rodenberg                    Mainacht

(eig. Levy)

1831 – 1914                                        Der Erde sind die Wimpern zugefallen

Bei kühler Bäche schlummertrunknem Rinnen,

Bei Blüthenglockenlaut von Bergeszinnen,

Um die des Abends Friedensschleier wallen.

 

Ein Monmdenstrahl fällt in die Waldeshallen,

Und weiche Luft spielt mit dem Blättern innen –

Es ist ein tiefes Ruhn, ein Traumessinnen,

Ein leis Verglühn, ein wunderbar Verschallen.

 

Nun ist die Welt in sich zurückgesunken,

Und nach des Tages nüchternem Getriebe

Vom Hauch der Nacht und ihrem Dufte trunken.

 

Der Himmel aber wacht in klarem Prangen,

Und mit den Sternenarmen voller Liebe

Hält er die Erd’, das schöne Weib, umfangen.

 

 

 

 

 

Julius Rodenberg                    Herbstoffenbarung

(eig. Levy)

1831 – 1914                                        In Sommergluth hat die Natur zur klaren

Erscheinung, was sie Schönes hat, gediegen;

Was ehedem gebraucht, ruht nun verschwiegen,

Um still in sich den letzten Hauch zu wahren.

 

So blau der Himmel! So von wunderbaren

Prachtfarben glänzend Thal und Berge liegen!

Bei seinem Duft und sonniger Wolken Wiegen

Will Herbst ein süß’ Geheimniß offenbaren:

 

O sieh! – des Himmels Aug’ ist aufgeschlagen,

Und in der Erde Brust glüht warmer Frieden –

Sanft klopft ihr Herz in diesen blauen Tagen.

 

Derweil sich nun die Wälder festlich färben,

Und golden leuchtet jede Flur hinieden,

Macht still sich die Natur bereit zum Sterben!

 

 

 

 

 

 

Julius Rodenberg                    Im Frühling

(eig. Levy)

1831 – 1914                                        Auf’s Neue seh’ ich das Gebirg sich färben.

Schon duften bläulich mir ersehnte Weiten;

Die Wälder athmen auf, die Wolken gleiten

Durch sonnig Blau, kein Frost mehr droht Verderben.

 

Und ach! – kaum war der Herbst; kaum sah ich sterben

Die letzten Blüthen, kaum sich Neebel breiten –

Und schon taucht neu die Welt aus Dunkelheiten,

Fühl’ ich den Lenz zu neuen Wonnen werben.

 

Rastloser Wechsel – so in Lust, in Leide –

Wo ist das Ende frag’ ich, wo die Grenze?

Wo ist ein Glück, das kaum gegrüßt nicht scheide?

 

Und wo ein Winter, der nicht weicht dem Lenze?

Wo wir einst saßen, blüht wie sonst die Haide,

Doch eine andre Jugend flicht dort Kränze.

 

 

 

 

 

Julius Rodenberg                    Das Heidelberger Schloß

(eig. Levy)

1831 – 1914                                        Wie eine Märchenkunde ferner Zeiten,

So ragt das Schloß aus grünem Eichenlaube;

So ernst nachdenklich steht es wie der Glaube:

Was wirklich deutsch, das währt für Ewigkeiten.

 

O, wie die Fernen reich und hell sich breiten!

Hier rauscht der Strom, dort blüht am Berg die Traube;

Vieläst’ger Epheu rankt auf heil’gem Staube,

Und drüber hin die sonnigen Wolken gleiten.

 

Und wie ich schweigend eintrat in die Halle

Wo deutsche Pracht verrostet und zertrümmert,

Da breitet’ ich die Arme voller Sehnen.

 

Seid mir nicht gram, ihr Herrn! – So sind wir Alle:

Indes die schöne Gegenwart verkümmert

Stehn schweigend auf Ruinen wir in Thränen!

 

 

 

 

 

 

 

 

Julius Rodenberg                    Musikalische Sonette

(eig. Levy)

1831 – 1914

I.  -  Felix Mendelsohn-Bartholdy

 

Durch meine Seele zieht das Lied vom Rheine,

Der deutsche Sehnsuchtssang, halb Lust, halb Klage,

Der gleich dem Strom im sanften Wogenschlage

Melodisch fließt um schroffe Felsgesteine.

 

Um alte Burgen, ganz bekränzt von Weine,

Daraus mit blauem Auge blickt die Sage –

Um dunkle Dome, die der fernen Tage

Tiefernster Geist durchwallt im Dämmerscheine.

 

Doch plötzlich welch ein Ton und welch ein Schimmern!

Hörst Du nicht Harfen klingen über’m Strome?

Siehst Du nicht goldnes Haar im Mondlicht flimmern?

 

Und gingst Du selber nicht bei solchem Werben

Der zaubrisch süßen Sommernachtsphantome,

Wenn Du der Schiffer wärst, in Dein Verderben?

 

 

II. -  Frederic Chopin

 

Chaussee d’Antin, Parfüm und Brüssler Spitzen!

Die Creme des Faubourg schmachtend hingegossen

Und träumerisch vom Clair-Obscür umflossen,

Auf schwellender Causeusen Damastsitzen.

 

Und hier ein Herz, das krank in Fieberhitzen

Verglüht, der Freuden satt, die es genossen –

Und das die Nacht, die schwül sich rings geschlossen

Noch einmal grell durchzuckt mit seinen Blitzen.

 

Dieß ist der Hintergrund für mich, die Scene,

So oft mich einer Deiner wilden Reigen

Begeistert, und mich mahnt an die Arene.

 

Ha, welch ein Schauspiel! – ihn vom Becher nippen

Den gift’gen Rausch zu sehn, und sich verneigen

Ein schmerzlich „ave Caesar“ auf den Lippen!

 

 

III. -  Robert Schumann

 

O dunkel, tief! – Nacht ohne Mond und Sterne,

Wild schwingt der Sturm zerrissne Wolkenfahnen.

Wie folg’ ich diesem Geist auf seinen Bahnen?

Vielleicht erreicht er Land – doch es ist ferne.

 

In fremde Welt vertief’ ich mich so gerne,

Doch muß sie geistverwand mein Innres mahnen;

Hier aber steh ich nur mit dumpfem Ahnen,

Und weiß nicht, wie ich ihn begreifen lerne.

 

Und doch kann ich den Blick nicht von ihm lassen,

Indem mich’s abstößt, zieht mich’s leise, leise,

Als müßt’ ich ganz voll Schauer ihn umfassen.

 

So war mir oft auf nächt’ger Alpenreise,

Wenn mir zur Seite, in den Felsentiefen,

Die Quellen stürzten und die Adler riefen.

 

 

IV. -  Ludwig van Beethoven

 

O Freund der Nacht, dem sie so gern vertraute,

Was im weih’vollen Herzen sie getragen –

Entzückt hat sie gelauscht bei Deinen Klagen

Und Dir geliehen ihre vollsten Laute.

 

Indeß Dein Blick in ihtren Himmel schaute,

Gab sie mit Sternschrift Antwort Deinen Fragen;

Und Deiner Seele, der vor Heimweh zagen,

Wies sie den Morgen,l der schon ferne graute.

 

Dann griffst Du in die Saiten! – und wie trunken

Melod’sche Fluthen all’ Dein Wesen schwellten,

Da glühten über’m Berg die ersten Funken.

 

Die Gipfel rings, die Tiefen sich erhellten,

Der Vorhang riß – die Nacht war hingesunken,

Und ganz in Sonne schwammen alle Welten!